Ich habe mit Julian gesprochen. Julian hat sich vor einem Jahr in München als selbstständiger Rechtsanwalt niedergelassen. Er brauchte 80.000 Euro Startkapital, um die ersten 12 Monate zu überbrücken, bis die Honorare richtig fließen. Seine größte Herausforderung: Fehlende materielle Sicherheiten. Seine einzige Sicherheit war seine Qualifikation.
Der Banken-Bonus für Freie Berufe: Vertrauen in die Qualifikation
Immerhin: Anwälte gehören, wie Ärzte, zu den sogenannten Freien Berufen, die bei den Banken einen sehr guten Ruf genießen. Banken wissen, dass Anwälte in der Regel ein stabiles Einkommen erzielen können, sobald die Kanzlei läuft. Das ist ein riesiger Vorteil.
Für Julian war der Schlüssel, sich an Banken zu wenden, die auf Freiberufler-Finanzierung spezialisiert sind. Diese Institute verstehen das Geschäftsmodell einer Kanzlei besser als die durchschnittliche Hausbank. Sie akzeptieren oft eine abgetretene Forderung aus der Berufshaftpflichtversicherung oder eine Bürgschaft als Sicherheit.
Die Rolle des Kammer-Darlehens und der KfW
Julian hat die 80.000 Euro nicht als einen großen Kredit aufgenommen, sondern das Ganze klug kombiniert:
- Berufsständische Darlehen: Viele Rechtsanwaltskammern und Versorgungswerke bieten in Zusammenarbeit mit Banken spezielle Kredite für die Kanzleigründung an. Diese sind oft unbürokratisch, haben faire Zinsen und sind auf die Bedürfnisse von Berufseinsteigern zugeschnitten. Julian konnte so einen Teil seiner Erstausstattung (Computer, Bibliothek) zu sehr guten Konditionen finanzieren.
- KfW-StartGeld: Der ERP-Gründerkredit – StartGeld war, wie schon beim Franchise-Nehmer, auch hier wieder die Basis. Dieser Kredit von bis zu 125.000 Euro ist ideal für kleine Existenzgründungen, da die KfW einen Teil des Risikos (bis zu 80 %) für die Hausbank übernimmt. Das war der Türöffner für Julian bei seiner Bank. Er musste zwar einen detaillierten Kosten- und Liquiditätsplan vorlegen – eine Rentabilitätsprognose für die ersten drei Jahre – aber die Bank war wegen der KfW-Haftung deutlich entspannter.
Wichtig für alle Anwälte: In der Liquiditätsplanung muss die Berufshaftpflichtversicherung als großer Kostenpunkt unbedingt realistisch angesetzt werden. Sie ist Pflicht und muss vom Start weg bezahlt werden!
Der Liquiditäts-Tipp: Factoring für Anwaltshonorare?
Viele Anwälte arbeiten mit Vorschüssen oder Rechtsschutzversicherungen. Dennoch kann es vorkommen, dass größere Honorar-Abrechnungen lange auf sich warten lassen.
Julian hat sich überlegt, ob Factoring für seine Anwaltshonorare sinnvoll ist – so wie beim Texter. Aber hier wird es kompliziert: Die Berufsordnung setzt dem Factoring enge Grenzen, da die Abtretung von Honorarforderungen nicht in jedem Fall zulässig ist, besonders wenn es um die Vertraulichkeit geht.
Deshalb bleibt der Kontokorrentkredit (Dispo) der Bank für unvorhergesehene, kurzfristige Schwankungen das Mittel der Wahl, aber der Großteil der Kanzleigründung sollte über den günstigeren KfW-Kredit und das Kammer-Darlehen laufen. Er muss lernen, seine Rechnungen schneller zu stellen und die Vorschüsse konsequent einzufordern, um die Liquiditätslücken gar nicht erst entstehen zu lassen.
Qualifikation ist die Sicherheit
Für den Anwalt oder den Steuerberater ist die persönliche Qualifikation die härteste Sicherheit, die er hat. Die Bank finanziert hier vor allem das potenzial. Wer einen sauberen, realistischen Businessplan vorlegt und die Fördermittel gezielt nutzt, bekommt seine Gründungsfinanzierung im Bereich der Freien Berufe deutlich einfacher als in vielen anderen Branchen. Das ist der große Vorteil dieser Berufsgruppe.