Influencer & Content Creator: kreditfähig oder Hochrisiko?
Ein nüchterner Faktencheck zur Finanzierung einer jungen Berufsgruppe
Mythos 1: „Influencer verdienen nur Taschengeld“
Fakt:
Professionelle Content Creator erzielen teils sechsstellige Jahresumsätze.
Einnahmequellen sind u. a.:
- Werbekooperationen
- Affiliate-Einnahmen
- digitale Produkte (Kurse, Vorlagen, Abos)
- Plattformvergütungen
- Agenturverträge
Das Problem ist nicht die Höhe der Einnahmen, sondern deren Unregelmäßigkeit.
Banken bewerten planbare Cashflows höher als hohe, aber volatile Umsätze.
Mythos 2: „Für Banken ist das kein richtiger Beruf“
Fakt:
Influencer gelten rechtlich als Selbstständige oder Gewerbetreibende.
Die Tätigkeit ist steuerlich voll anerkannt.
Was Banken skeptisch macht, ist nicht der Berufstitel, sondern:
- starke Abhängigkeit von Plattformen
- fehlende langfristige Verträge
- Einnahmen aus wenigen Quellen
- kaum verwertbare Sicherheiten
Die Kreditfrage ist daher kein Rechts-, sondern ein Strukturthema.
Mythos 3: „Influencer bekommen grundsätzlich keinen Kredit“
Fakt:
Influencer bekommen Kredite – aber selten klassische Bankkredite.
Erfolgreich sind vor allem:
- Betriebsmittelkredite im kleinen bis mittleren Bereich
- Online-Kredite mit datenbasierter Prüfung
- Förderkredite in der Gründungsphase
- Leasingmodelle für Technik
Hohe Investitionskredite (z. B. >100.000 €) sind dagegen selten.
Typische Einnahmen- und Kostenstruktur
Einnahmen:
- stark projekt- und kampagnenabhängig
- saisonale Schwankungen
- Auszahlungszyklen je nach Plattform
Fixkosten:
- Technik (Kamera, Licht, Rechner)
- Software (Schnitt, Grafik, Analyse)
- Marketing & Werbung
- ggf. Studio / Arbeitsraum
Variable Kosten:
- Reisekosten
- externe Dienstleister
- Produktionskosten
Das Geschäftsmodell ist margenstark, aber liquiditätssensibel.
Typischer Finanzierungsbedarf
Influencer benötigen Kapital selten zur Existenzsicherung, sondern für:
- Technik-Upgrades
- Studio- oder Set-Aufbau
- Vorfinanzierung von Produktionen
- Marketingkampagnen
- Überbrückung von Einnahmepausen
Übliche Beträge:
→ 5.000 bis 50.000 €
Welche Finanzierungsformen realistisch sind
Betriebsmittelkredit
✔ geeignet bei stabilen Umsätzen
✖ klassische Banken oft zurückhaltend
Online-Kredit / Fintech
✔ schnelle Entscheidung
✔ Bewertung auf Basis von Kontodaten
✖ höhere Zinsen
Förderkredite (z. B. über KfW)
✔ sinnvoll bei Gründung oder klarer Geschäftsplanung
✖ Hausbank entscheidet
✖ nicht kurzfristig
Leasing
✔ ideal für Kamera-, Licht- und IT-Technik
✔ schont Liquidität
✖ kein Eigentum während Laufzeit
Warum viele Anträge scheitern
Ablehnungen haben meist nichts mit dem Beruf an sich zu tun.
Häufige Gründe:
- Einnahmen laufen über Privatkonto
- keine Trennung von geschäftlich / privat
- starke Abhängigkeit von einer Plattform
- keine Rücklagen
- fehlende Dokumentation der Umsätze
Banken finanzieren nachvollziehbare Modelle, keine Reichweite.
Was Kreditgeber stattdessen sehen wollen
Entscheidend sind:
- saubere Kontoführung
- regelmäßige Zahlungseingänge
- mehrere Einnahmequellen
- realistische Planung
- nachvollziehbarer Zweck der Finanzierung
Ein Influencer mit 40.000 € stabilen Umsätzen ist kreditwürdiger als einer mit 120.000 € unregelmäßigem Kampagnenumsatz.
Marktentwicklung
Die Finanzbranche beginnt umzudenken:
- Open-Banking-Daten ersetzen starre Gehaltsnachweise
- digitale Kreditmodelle berücksichtigen Plattformumsätze
- alternative Anbieter schließen die Finanzierungslücke
Langfristig wird sich der Zugang zu Kapital für Content Creator verbessern, allerdings nicht über klassische Hausbanken.
Influencer und Content Creator sind keine Sonderfälle, sondern Unternehmer mit einem atypischen Geschäftsmodell.
Finanzierung scheitert nicht an der Tätigkeit, sondern an fehlender Struktur.
Fazit:
Wer Umsätze sauber dokumentiert, Einnahmequellen diversifiziert und Liquidität plant, ist kreditfähig – auch ohne „klassischen“ Beruf.
Die Herausforderung liegt nicht im Markt, sondern im Verständnis der eigenen Zahlen.