Wir verdienen gut, aber Liquidität ist trotzdem ein Thema“ – Finanzierung im IT-Freiberuf – Meine Tipps

IT-Freiberufler gelten als Gewinner der Digitalisierung.
Sie arbeiten projektbasiert, oft mit Tagessätzen von 600 bis 1.000 Euro, und können Aufträge meist frei wählen.
Doch was viele Außenstehende nicht wissen: Gerade in dieser Branche gibt es erhebliche Finanzierungslücken, vor allem zwischen Projektstart, Rechnungsstellung und tatsächlicher Zahlung.
Wir haben mit Thomas Becker, freiberuflichem Softwareentwickler aus Leipzig, gesprochen – über Cashflow, Bankgespräche und warum eine gute Liquiditätsplanung oft wichtiger ist als ein neuer Laptop.


„IT-Freiberufler sind oft keine typischen Bankkunden“

Frage: Herr Becker, Sie arbeiten seit über zehn Jahren selbstständig. Wie sieht Ihr Finanzalltag aus?

Becker: „Ich habe pro Jahr vielleicht fünf bis sieben große Projekte – das heißt, teilweise liegen mehrere Wochen zwischen Rechnung und Zahlung. Wenn dann ein Kunde später zahlt oder ein Projekt sich verzögert, kann das die Liquidität belasten, auch wenn die Auftragslage eigentlich gut ist.“

Frage: Also klassische Cashflow-Probleme trotz hoher Umsätze?

Becker: „Genau. Viele ITler denken: Ich verdiene doch gut, wieso sollte ich einen Kredit brauchen? Aber das ist falsch. Selbstständigkeit heißt Schwankung. Ich nutze mittlerweile einen kleinen Betriebsmittelkredit bei der Commerzbank, um Auftragsspitzen und Wartezeiten zu überbrücken. Die Zinsen sind überschaubar, aber der Handlungsspielraum enorm.“


Finanzierung für IT-Freiberufler: zwischen Realität und Bonitätslogik

IT-Selbstständige gelten für Banken als Freiberufler ohne materielle Sicherheiten.
Ihre Einnahmen stammen aus Projekten, meist ohne langfristige Verträge.
Das macht die Kreditbewertung komplex, da keine klassischen Vermögenswerte vorhanden sind.

Typische Finanzierungsformen:

  • Betriebsmittelkredit oder Kontokorrentrahmen (10.000 – 100.000 €)
  • Leasing für Hardware, IT-Ausrüstung oder Firmenwagen
  • KfW-Unternehmerkredit (037/047) für Digitalisierung und Investitionen
  • Factoring zur Vorfinanzierung von Rechnungen

Thomas Becker: „Ich nutze Factoring über einen Anbieter namens Finom. Das ist unkomplizierter als ein Bankkredit und ich bekomme mein Geld oft innerhalb von zwei Tagen.“


„Banken verstehen unsere Branche immer besser“

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass Banken IT-Freiberufler inzwischen ernster nehmen?

Becker: „Ja, absolut. Früher musste ich bei jedem Gespräch erklären, was ich überhaupt mache. Heute gibt es spezialisierte Berater – vor allem bei Volksbanken und der DKB. Man merkt, dass sich etwas verändert hat.“

Die DKB, Commerzbank und einige Sparkassen haben mittlerweile eigene Programme für Freiberufler im Digitalbereich, inklusive Förderintegration.
Insbesondere digitale Kreditanbieter wie iwoca oder auxmoney business haben sich etabliert, da sie schnelle, unbürokratische Entscheidungen ermöglichen – oft nur mit Kontoauszügen und Umsatznachweisen.


„Viele unterschätzen die Bedeutung von Rücklagen“

Frage: Was würden Sie jungen IT-Freiberuflern raten, die gerade starten?

Becker: „Zuerst: Rücklagen aufbauen! Und zwar konsequent. Außerdem frühzeitig eine Bankbeziehung pflegen – am besten, bevor man das Geld braucht. Wenn man erst hingeht, wenn’s eng wird, sind die Konditionen oft schlechter.“

Frage: Nutzen Sie auch Förderprogramme?

Becker: „Ja, ich habe beim letzten Softwareprojekt eine Kombination aus KfW-Unternehmerkredit und einem Zuschuss der SAB Sachsen genutzt. Das ging über meine Hausbank, und die haben sich um alles gekümmert. Der Prozess war langsamer, aber es hat sich gelohnt.“


Stark verdienend, aber nicht sorgenfrei

IT-Freiberufler und Softwareentwickler bilden eine finanzstarke, aber oft unterschätzte Zielgruppe im Kreditmarkt.
Sie brauchen weniger klassische Investitionsdarlehen, dafür Liquiditäts- und Projektfinanzierungen mit schnellen Entscheidungswegen.
Banken, die sich an diese Dynamik anpassen, gewinnen Kunden, die langfristig treu bleiben.
Denn, wie Becker sagt:

„Ich brauche keine Bank, die mich motiviert – ich brauche eine, die mich versteht.“